Collegium Hungaricum, Berlin
13. September – 18. Oktober 2019
Sammlung Antal-Lusztig, Debrecen
Kurator: Katalin T. Nagy
László Moholy-Nagy zählt zu den bedeutendsten und vielseitigsten Künstlern des 20. Jahrhunderts, der von der Malerei, Skulptur und Grafik über die Fotografie, Filmkunst und Typografie bis hin zur Objektgestaltung und zum Ausstellungsdesign in zahlreichen Medien Bleibendes schuf.
Weniger bekannt in der internationalen Kunstszene sind die Anfänge seiner Laufbahn, Moholy-Nagys frühe Jahre in Ungarn. Wer waren die Vorbilder, in welchem Milieu entstanden seine ersten Arbeiten, wie veränderte sich seine Kunst während der ersten Berliner Jahre?
Unsere Ausstellung zeigt Werke von László Moholy-Nagy aus einer der bedeutendsten Privatsammlungen Ungarns, der Sammlung Antal-Lusztig Debrecen – unter ihnen viele herausragende und öffentlich nur selten zu sehende Arbeiten. Neben diesen sind hier Werke von Moholy-Nagys ungarischen Zeitgenossen aus derselben Sammlung zu sehen, mit denen er (wie mit József Nemes Lampérth, Sándor Bortnyik, Béla Uitz, Lajos Tihanyi) in freundschaftlicher oder (wie mit Ede Bohacsek, János Mattis Teutsch, Lajos Kassák) in kollegialer Beziehung stand. Über ihre eigenen Qualitäten hinaus stehen sie auch für die Tendenzen, die Moholy-Nagys frühe Kunstauffassung und Kunstphilosophie beeinflussten. Darüber hinaus bietet die Ausstellung auch reife Werke von László Moholy-Nagy, die bis jetzt meist nur dem ungarischen Publikum zugänglich waren.
Mehrere Werke von Moholy-Nagy und Nemes Lampérth, die sich in der Sammlung Antal-Lusztig befinden, sind in Berlin in den 1920er Jahren entstanden, und es ist ein glücklicher Zufall, dass sie nach vielen Jahrzehnten nun wieder hier gezeigt werden können.
Als Ergänzung zu den Klassikern sind im Collegium Hungaricum Arbeiten von dreizehn ungarischen oder aus Ungarn stammenden Künstlerinnen und Künstlern zu sehen, die durch das Werk des ungarischen Polyhistors inspiriert wurden. Die meisten von ihnen wurden eigens für die Berliner Ausstellung konzipiert.
Die Ausstellung entstand dank einer Zusammenarbeit zwischen dem Déri Museum Debrecen und dem Collegium Hungaricum Berlin.
LÁSZLÓ MOHOLY-NAGY: Wire Sculpture Licht-Raum-Modulationen Light-Room Modulations, 1946/2005, Silbergelatine auf Papier Bild:, 249×190 mm, Blatt: 305×242 mm | Funkturm in Berlin, 1928, Silbergelatine auf Papier Bild: 272×200 mm, Blatt: 440×330 mm | Ziegeldach, La Sarraz, 1930/1994, Silbergelatine auf Papier Bild: 288×199 mm Blatt: 395×300 mm | Kinetische Skulptur (Gyros in Motion) Licht-Raum-Modulationen, 1936/2005, Silbergelatine auf Papier Bild: 250×192 mm, Blatt: 303×240 mm | Plexiglas-Mobile in Bewegung Licht-Raum-Modulationen Light-Room Modulations, 1943, Silbergelatine auf Papier Bild: 249×194 mm, Blatt: 305×240 mm | Spirale Licht-Raum-Modulationen Light-Room Modulations, 1943, Silbergelatine auf Papier Bild: 182×269 mm, Blatt: 240×305 mm | Licht-Raum-Modulationen, Silbergelatine auf Papier Bild: 254×190 mm, Blatt: 305×240 mm
LÁSZLÓ MOHOLY-NAGY: Sich kreuzende Diagonalen, 1923–1925 / 1950–1960er Jahre, Radierung auf Papier, 287×320 mm | Linoleumschnitt III, 1922, Linoleumschnitt auf Papier Druck: 200×153 mm, Blatt: 318×234 mm | Linoleumschnitt II, 1922, Linoleumschnitt auf Papier Druck: 150×150 mm, Blatt: 280×234 mm | Linoleumschnitt I, 1922, Linoleumschnitt auf Papier, Druck: 150×149 mm, Blatt: 275×233 mm | Der Sturm, Hrsg. v. Herwarth Walden September 1922, Titelblatt Linoleumschnitt auf Papier, 318×234 mm | LAJOS KASSÁK: Komposition, 1920er Jahre, Öl auf Karton, 27×21 cm | Komposition, um 1923, Tusche auf Papier, 326×250 mm
Moholy-Nagy Reflexionen
Réka Fekete (NL), István Halmi-Horváth (H), Károly Hopp-Halász (H), Károly Keserü (H), Borbála Kigyós (H), Hilda Kozári (FIN), Jenő Lévay (H), George Peck (USA), Ákos Pleszviny (H), Lilla von Puttkamer (D) Sylvia Plachy (USA), Péter Somody (H), Zoltán Szegedy-Maszák (H)
Collegium Hungaricum
13. September – 18. Oktober 2019
In Anknüpfung an die Ausstellung „Vom Pinsel bis zur Kamera. Werke von László Moholy-Nagy und seinen Zeitgenossen, Sammlung Antal–Lusztig, Debrecen” zeigen wir Arbeiten von 13 Künstlerinnen und Künstlern, die mehrere Generationen und Gattungen vertreten und sich dementsprechend unterschiedlich mit Moholy-Nagys Ideen und Formen auseinandersetzen. Sechs von ihnen sind ältere Werke, sieben wurden eigens für diese Ausstellung konzipiert und sind hier zum ersten Mal zu sehen.
Der vor wenigen Jahren verstorbene Károly Hopp-Halász gilt als wichtiger Vertreter der ungarischen Neoavantgarde. Seine Fotoserie von 1971 geht auf eine Performance aus dem selben Jahr zurück. Die durchlöcherten Metallplatten des industriellen Systemregals bringen in den Fotos Lichteffekte hervor, die an Moholy-Nagys berühmten Licht-Raum-Modulator erinnern. Moholy-Nagy benutzte mit Vorliebe hoch gelegene Punkte für seine Aufnahmen, wodurch er zu neuartigen Raumerfahrungen gelang. In Sylvia Plachys humorvoller Komposition entsteht aus der ungewöhnlichen Einstellung mit einem scharf einschneidenden Dreieck ein Bild von stark provokativer Kraft.
Jenő Lévay wählte für seine Performance (Miskolc, 1993) einen Paternoster als Schauplatz. Nach Moholy-Nagys Auffassung sollte die Kunst der Zukunft den Betrachter durch neue Wahrnehmungsund Raumerfahrungen überraschen. Den Paternoster kann man auch als Perpetuum mobile auffassen. Der Künstler sitzt in einer der Kabinen und kehrt während seiner Fahrt am Zeitrad regelmäßig zurück, um mit den Besuchern, die auf mehreren Etagen auf ihn warten, in Kontakt zu kommen.
Péter Somody greift in seinem Gemälde auf Moholy-Nagys Kompositionsprinzipien und Lichtführung zurück, und formuliert neue Lösungsansätze. István Halmi-Horváth interpretiert in seinem monochromen Gemälde das Thema der Transparenz, das Moholy-Nagy seit seiner Bauhauszeit intensiv beschäftigte. Zoltán Szegedy-Maszáks magisch wirkende lentikuläre Bildstreifen regen den Betrachter zur aktiven Bewegung an und vermögen ungewöhnliche optische Illusionen zu erzeugen. Das rätselhafte Gemälde von Lilla von Puttkamer bildet die fiktive Bibliothek des berühmten Vorgängers ab. Die Quellen jedoch, aus denen sich das Genie speist, bleiben trotz einzelner erkennbarer Elemente letztendlich unzugänglich. Károly Keserü reduziert sein Zeicheninventar auf wenige Elemente, die aber, ähnlich wie die Tonzeichen eines Notenblatts, auf einer breiten Skala spielen können. Mit Hilfe dieses reduzierten Inventars lässt er in seinen Zeichnungen seine Vorbilder, so auch Moholy-Nagy, zu Wort kommen. Die Erweiterung der Sinne war ein wichtiges Ziel der Werkstätten, die am Bauhaus wie Laboratorien geführt wurden. Die Studierenden sollten neben dem Sehen und Hören auch den Tast- und Geruchssinn in ihre Experimente einbeziehen. Hilda Kozári untersucht in ihren Arbeiten die multisensorischen Möglichkeiten der Kunst. Die hier ausgestellte kleine Komposition spricht sowohl den Tast- als auch den Geruchssinn an und erfüllt damit Moholy-Nagys Zielsetzung.
George Peck spielt in seiner Fensterglas-Applikation mit Licht und Transparenz und weist damit auf Moholy-Nagys 1923 in Berlin präsentierte Telefon-Bilder hin. Nach einem Telefongespräch, in dem der in New York lebende Künstler von uns um die Konzipierung einer ortsspezifischen Arbeit gebeten wurde, stellte er ein „Kit” zusammen, das nach seinen Instruktionen installiert wurde. Formgestaltung spielte sowohl am Bauhaus als auch im Œuvre von Moholy-Nagy eine bestimmende Rolle. In der Ausstellung ist sie durch zwei Schmuckstücke vertreten. Borbála Kigyós setzte ein Werk aus der Sammlung Antal–Lusztig in einen Halsschmuck um, indem sie dessen Formeninventar bei Bewahrung der Farbzusammensetzung weiterdachte. Ein Schmuckstück verrät viel von seinem Träger. Réka Fekete baute unter anderem auf diese Eigenschaft, als sie eine kinetische, durch Öffnen zur Verwandlung fähige Halskette entwarf, deren Motive an Moholy-Nagy erinnern. In der Fachliteratur über Moholy-Nagy wird immer wieder auf seine Begabung hingewiesen, zukünftige technische und künstlerische Entwicklungen vorauszuahnen. Er sah viele in der Vervielfältigung liegende neue Möglichkeiten voraus, wenngleich er noch keinen Computer kennen konnte. Ákos Plesznivy steckt sich mit seinem Computerspiel, das den künstlerischen Schaffensprozess hinterfragt, ein wenig in die Haut des berühmten Vorgängers und fordert den Betrachter zum Mitdenken auf.
Die klassischen Werke der Ausstellung werden durch die vielfältigen Annäherungen aus neuen Aspekten und Perspektiven beleuchtet und auf diese Weise um neue Einsichten bereichert.
Katalin T. Nagy